PTBS-Assistenzhunde
Vor einigen Tagen erreichte uns eine Mail von Frau Zösmayr aus Österreich, die an einer posttraumatischen Belastungstörung leidet. Sie lässt gerade ihre Hündin Ylvi zum PTBS-Assistenzhund ausbilden. Mehr zu diesem noch sehr unbekannten Thema könnt Ihr im folgenden Interview lesen, das wir mit ihr geführt haben.
Frau Zösmayr, Sie leiden an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Können Sie unseren Lesern kurz erklären, was das genau ist und wie sich das auf den Alltag der Betroffenen auswirkt?
Eine Posttraumatische Belastungsstörung, oder kurz PTBS, bezeichnet die Auswirkungen von einem oder mehrere Traumata auf die Psyche und den Körper. Die Ursache, also das Trauma, kann das Erleben von Krieg oder eine Naturkatastrophe sein oder eben sexueller Missbrauch oder eine Vergewaltigung. Da jeder Mensch und jedes Trauma anders ist können die Auswirkungen sehr unterschiedlich sein.
Als Beispiel: Ich nehme 2 Medikamente zum schlafen und in manchen Nächten muss ich jeweils die Höchstdosis (400mg) nehmen und kann trotzdem nicht schlafen. Jeder „gesunde“ Mensch wäre schon bei 50mg von einem der Medikamente komplett ausgenockt, aber ich steh immer noch. Leider.
Unter was ich am meisten leide ist, dass ich kaum außer Haus und unter Leute gehen kann. Ich bekomme sofort Panik wenn mir jemand zu nahe kommt und es genügt ein Geruch, eine Berührung oder auch nur ein bestimmtes Bild und schon erlebe ich die Traumata wieder so als würden sie gerade jetzt passieren. Das nennt man in der Fachsprache Flashback und die Auslöser Trigger.
Bei Ihnen lebt Labrador Retriever Hündin Ylvi. Wie sind Sie darauf gekommen Ylvi zum Assistenzhund speziell für posttraumatische Belastungsstörungen ausbilden zu lassen?
Ursprünglich wollte ich meinen ersten Hund Medic darauf trainieren, dass er mir hilft aus einer Dissoziation raus zu kommen. Damals konnte ich aber in ganz Österreich niemanden finden, der sich zugetraut hätte, mir dabei zu helfen. Ich hatte es dann aufgegeben.
Durch Zufall habe ich vor ca einem halben Jahr auf Facebook die Seite von einem PTBS-Assistenzhund gefunden. Ich hab mich total gefreut und gleich auf die Suche nach einem Trainer begeben, der bei mir in der Nähe ist und mir hilft Ylvi auszubilden. Schlussendlich bin ich bei Mag. Alexandra Schweiger fündig geworden. Sie hat das Rütter´s D.O.G.S Zentrum in Tirol und ist zudem noch Psychologin. Eine – für mich – geniale Kombination.
Wie muss man sich diese Ausbildung vorstellen und was für Schwierigkeiten können hier auf Sie beide zukommen?
Zum Glück kenne ich mich mit Hunden bereits ein wenig aus und Ylvi beherrscht alle Basisübungen wie „Sitz“, „Platz“, „Bleib“ usw. Auch die Begleithundeprüfung und die BGH1 (sportliche Unterordnung) habe ich bereits mit Ylvi abgelegt. Wir treffen uns 1-2 mal in der Woche für das Spezialtraining. Dort zeigt mir Alexandra wie ich eine Übung aufbaue und überprüft, wie weit wir mit dem Training zuhause schon gekommen sind. Da man alles Schrittweise aufbauen muss und es oft einige Zwischenschritte braucht bis eine Aufgabe fertig ist, brauchen wir einige Trainingsstunden. Die gesamte Ausbildung dauert 2 Jahre, wobei es auch länger dauern kann, je nachdem wie fleißig ich mit Ylvi trainiere, wie schnell Ylvi die Aufgaben kann und sie diese dann auch unter großer Ablenkung ausführt.
Ylvi ist eine extrem freundliche Hündin, die jeden begrüßen und abschlecken möchte. Somit denke ich, dass dies der schwerste Teil ist den sie lernen muss – andere Menschen zu ignorieren. Sie hat auch bereits das „blocken“ nach hinten gelernt, sprich den Assistenznehmer gegen fremde Leute abschirmen, indem sie sich dazwischen stellt oder sitzt, und ich gehe inzwischen mit ihr auch in kleine Lebensmittelgeschäfte einkaufen.
Zum Abschluss muss Ylvi eine offizielle Prüfung vom Messerli Institut in Wien ablegen. Dort wird einmal ihr Grundgehorsam überprüft, wie gut sie ihre Spezialaufgaben kann und dann noch die Zusammenarbeit von Ylvi und mir als Team.
Die zwei größten Schwierigkeiten haben wir schon überwunden: Zum einen die Suche nach einem Trainer und die Eignung von Ylvi als Assistenzhund. Denn leider kann man nicht pauschal sagen, dass zum Beispiel alle Hunde der Rasse Labrador Retriever für diese Aufgabe geeignet sind. Es hängt sehr vom Charakter des einzelnen Hundes ab.
Sie haben mit Vorurteilen zu kämpfen die sich auf die Versorgung von Ylvi beziehen, da Sie im Alltag eingeschränkt sind. Wie gehen Sie damit um?
Das hängt von meiner momentanen Stimmung ab und wie freundlich oder unfreundlich ich darauf angesprochen werde. (lacht)
Prinzipell kläre ich gerne über PTBS-Assistenzhunde auf und beantworte auch anfallende Fragen. Was die Versorgung von Assistenzhunden (oder anderen Haustieren) angeht ist es so, dass wir Menschen mit einer PTBS oder Depression uns schon schwer tun, einen Tagesablauf einzuhalten oder uns um uns selber zu kümmern. Und hier kommt das große ABER: Die meisten der Betroffenen sind sehr gut darin sich um andere zu kümmern, bevor sie sich um sich selbst kümmern. Sogar meine Therapeutin hat schon zu mir gesagt, dass ich mich mal so gut um mich selber kümmern soll wie ich mich um meine Hunde (ich hab 2) kümmere! Ich möchte auf keinen Fall, dass meine Hunde darunter leiden, dass ich krank bin und nicht immer so kann wie ich gern möchte.
An einem schlechten Tag gibt es halt nur einen kürzeren Spaziergang und kleine Übungseinheiten in der Wohnung oder im Innenhof. Entweder Unterordnung oder was für den Kopf mit Apportieren oder kleine Suchspiele. Zudem lasse ich mir gerade von Alexandra zeigen, wie das klassische Dummytraining mit den Retrievern funktioniert.
Ich frage echt nicht gerne um Hilfe, doch für meine Hunde überwinde ich mich und bitte meinen Mann oder eine Bekannte mal mit den zwei eine Runde zu drehen.
Wie bekannt sind PTBS-Assistenzhunde?
Hier in Österreich leider noch gar nicht bekannt. So weit ich weiß wird Ylvi der erste PTBS-Assistenzhund in Österreich sein. Ursprünglich wurden PTBS-Assistenzhunde in Amerika für die Soldaten ausgebildet und das schon seit einigen Jahren. Es ist nicht so lange her, dass Deutschland dann nachgezogen hat und ebenfalls die Ausbildung anbietet. In Österreich sind Assistenz- und Servicehunde im Gesetz verankert. Allerdings wird der PTBS-Assistenzhund dort nicht direkt namentlich aufgezählt, sondern eher seine Aufgaben umschrieben.
Ich hab noch eine große Bitte an alle Leser. Wenn ihr einen Assistenzhund seht, den man an der Kenndecke erkennt, dann bitte haltet euch zurück und streichelt den Hund nicht, auch wenn er noch so nett aussieht. Ein Hund mit Kenndecke ist gerade beim Arbeiten und soll dabei möglichst nicht gestört werden. Zumal zum Beispiel meine Ylvi andere Leute noch nicht so gut ignorieren kann und der bisherige Trainingserfolg immer wieder zunichte gemacht wird, wenn Leute dann einfach auf sie zugehen und ungefragt streicheln.
Ihr könnte gerne höflich den Assistenznehmer fragen, ob man den Hund streicheln darf. Falls er ja sagt, wartet bitte kurz auf etwaige Anweisungen oder bis der Hund das okay bekommt „Hallo sagen“ zu dürfen.
Ylvie hat auch eine eigene Facebookseite sowie Homepage und freut sich sicher sehr über einen Besuch. Wer für die Ausbildung von Ylvie spenden möchte:
„Assistenzhund Ylvi“
IBAN: AT59 2050 3033 0166 9077
BIC: SPIHAT22XXX
Die Bilder wurden uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt und wurden von Claudia Stix gemacht.