Der kleine Hund mit dem großen Herz

Es gibt so Tage in meinem Leben, die sind umwölkt von Traurigkeit und Dunkelheit. Selbst wenn draußen die Sonne scheint ist in mir alles düster. Völlig grundlos, ohne äußeren Anlass. Ich schleiche dann planlos durchs Haus. Lese sinnlos Texte, surfe ziellos durchs Netz. An solchen Tagen habe ich auf gar nichts Lust. Ich sehe mir die Dinge an, die getan werden müssen und beschließe: Heute nicht.
Früher waren diese Tage furchtbar. Ich fühle mich gefangen, eingeengt und wollte nur noch weg – raus aus mir selbst. Leider ist das nicht möglich. Mich selbst habe ich zwangsweise immer dabei. Inzwischen versuche ich es mit einer anderen Strategie: Ich lasse mich gehen. Ich lasse mich einfach so sein, wie ich gerade eben bin. Denn aus Erfahrung weiß ich: Es geht wieder vorbei. Spätestens morgen sieht die Welt wieder besser aus.
Heute ist so ein Tag. Ich versuche es mit ein wenig Ablenkung. Nehme das Grillbuch zur Hand denn langsam sollte ich einen Plan für mein Geburtstagsessen haben. Ich gehe damit auf die Terrasse, lege es auf den Tisch. Im Schlepptau zwei begeisterte Hunde. Frauchen im Garten, das heißt Spielen! Ich stehe auf der obersten Terrassenstufe und sehe mir den Garten an. Den Nachbarsgarten, den Himmel. Ich setze mich auf die oberste Stufe. Der Mini setzt sich neben mich, die Fluse angelt nach einem Spielzeug, das hinter 2 Töpfen versteckt liegt. Ich beschließe, mich einfach auf den Rücken zu legen. Der Himmel ist zu hell, als dass ich die Augen geöffnet lassen könnte.
Monsieur Mini sitzt immer noch neben mir. Hebe ich etwas den Kopf sehe ich seinen Rücken. Er guckt einfach still vor sich hin während die Fluse 50 cm daneben das Zebra von seinem Innenleben befreit. Ich kann nicht anders, zücke mein iPhone und mache ein Bild davon, wie er einfach so dasitzt. Natürlich bemerkt er es. Er dreht sich etwas in meine Richtung, so als würde er mich auffordern, ihn von vorne zu fotografieren. Mache ich aber nicht. Ich lege mich wieder nach hinten, sinniere weiter vor mich hin. Zwei Tränen kullern über meine Wange. Einfach so. Es ist Ende September. Seit Jahren eine für mich schwere Zeit, voller Erinnerungen, die immer wieder zu dieser Zeit kommen – egal wie oft ich mich bewusst und zu anderen Zeiten mit ihnen auseinander setze.
Der Sommer in mir ist vorbei und der Herbst drängt sich nach vorne. 364 Tage im Jahr kann ich mit der Vergangenheit und allem was war, was zu diesem Tag heute und unseren Zukunftsplänen geführt hat, im Reinen sein. Sehen, wozu alles geführt hat, wozu es gut war. Heute fühle ich nur. Die Menschen die gegangen sind, all die unschönen Ereignisse – die auch ihr gutes hatten – wollen heute gewürdigt werden.
Als ich 2 Minuten später wieder meinen Kopf hebe, sitzt der Mini immer noch neben mir. Diesmal nicht mit Blick in den Garten sondern zu mir. Er guckt mich einfach nur an. Sitzt ganz still da und beobachtet mich. Mich zerreißt es fast vor Liebe zu diesem kleinen Wesen und ich breche in haltloses Schluchzen aus. Er legt sich ganz nah neben mich, stupst mich mit der Nase an, rollt sich auf den Rücken und versucht mich zu trösten.
Er weiß was Trauer ist und wie es sich anfühlt. Er war damals dabei, als unser aller Leben komplett aus den Fugen geriet und 8 Monate später auch noch seine erste große Liebe, der Dicke, von uns ging. Wir erleben gemeinsam jetzt diesen kurzen Moment innigster Nähe, der mich umso mehr berührt, da der Terrier und ich viele Jahre ein eher gespaltenes Verhältnis hatten. Erst seit etwa 2 Jahren finden wir immer mehr zueinander und seit etwa 6 Monaten würde ich unser Verhältnis liebevoll nennen. Erstaunlich was passiert, wenn man langsam lernt, die Dinge, einen selbst und dann auch den eigenen Hund einfach so anzunehmen, wie alles einfach ist. Mit dunklen Tagen und solchen voller Begeisterung. Ganz in der Mitte und in sich ruhend, übers Ziel hinaus schießend, laut kläffend.
Man kann so viel lernen von seinen Hunden. In den letzten Monaten merke ich erst, was das wirklich bedeutet.