Der Hund im Krieg
In der vorletzten Ausgabe von Bacon Bark and Bones haben wir ja schon angekündigt, dass wir zwei interessante Interviewpartner gefunden haben, die auf außergewöhnliche Art mit dem Thema Hund zu tun haben. Einer unserer Interviewpartner ist Stefan Burkhart, der das Buch „Der Hund im Krieg“ geschrieben hat. Wie es dazu kam und um was es genau geht könnt Ihr nun hier nachlesen. Am Ende erwartet Euch außerdem noch ein Video.
Hund im Krieg – ein spannendes aber auch ungewöhnliches Thema. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Das Thema Hunde im Krieg ist im deutschsprachigen Raum tatsächlich eher ungewöhnlich. Man könnte sagen: Es ist praktisch nicht beackert. Dies erstaunt ein wenig. Deutschland verfügte stets über ein technisch hochstehendes Diensthundewesen. In beiden Weltkriegen standen Tausende deutsche Hunde im Einsatz. Die Zurückhaltung hängt wahrscheinlich mit einer allgemeinen Befangenheit deutscher Militärgeschichte zusammen – aus wohlbekannten Gründen. Man muss schon sehen: Hunde wurden beispielsweise in Konzentrationslagern eingesetzt für Bewachungsaufgaben und zum Quälen der Gefangenen. Daher werden Diensthunde bis heute im deutschen Sprachraum eher negativ konnotiert. Dies steht ganz im Gegensatz zur angelsächsischen Militärhistoriographie, in der Militärhunde mit viel Pathos dargestellt werden. Amerikanische Militärhunde gelten als treue und heroische Helfer der Soldaten. Es gibt eine durchaus anregende Literatur – und dies obwohl die USA zu Beginn des 2. Weltkrieges noch nicht einmal über ein richtiges Militärhundewesen verfügten und praktisch alles von Null an aufbauen mussten.
Was war der persönliche Anstoß?
Mein persönlicher Anstoß für das Buch war ein allgemeines Interesse an Geschichte und natürlich eine große Liebe für die Hunde, wobei ich kurioserweise noch nicht einmal einen eigenen Hund besitze. Beim Schreiben habe ich bemerkt, dass die Thematik einerseits ziemlich jungfräulich ist, andererseits sehr weitgefächert. Es gibt wenig, worauf man sich stützen kann. Das Thema reicht über einen riesigen Zeitraum bis in die prähistorische Zeit zurück. Daher wäre ich sehr dankbar für weitere Inputs und konstruktive Kritik auf mein Buch hin. Die Geschichte des Hundes im Krieg ist mit diesem Buch noch längst nicht fertig erzählt. Nicht zuletzt geht es doch auch darum, die Leistungen der unendlich treuen Hunde gebührend zu würdigen.
Wie haben sich die Aufgaben der Hunde in den letzten 150 Jahren verändert?
Ein modernes Militärhundewesen entstand ungefähr ab der Mitte des 19. Jahrhunderts. Vorbild war das Polizeihundewesen, das kurz zuvor aufkam. Die Verwendung der Hunde bei den Streitkräften spiegelt im Prinzip stets den aktuellen Entwicklungsstand der militärischen Taktik und natürlich der Waffentechnik. Der 1. Weltkrieg war die erste große Bewährungsprobe. Es stachen heraus die Sanitätshunde und die Nachrichtenhunde. Erstere suchten ein großes Areal nach Verwundeten ab. Dies war nötig, weil die Anzahl vermisster Soldaten bereits im Vorfeld des 1. Weltkrieges dramatisch anstieg.
Man muss aber realistisch bleiben. Die Sanitätshunde waren nur mäßig erfolgreich. An der Westfront konnte man sie fast gar nicht einsetzen, weil dort große Areale ständig unter Feuer standen und über Tage, Wochen, Monate heftig umkämpft blieben. Die Nachrichtenhunde waren erfolgreicher. Sie transportierten eine Nachricht in einer Kapsel von Ort A nach Ort B, beispielsweise von einer Infanteriekompanie zu einem Bataillonskommando oder von einem Beobachtungsposten zu einer Artilleriebatterie. Zudem waren viele Hunde als Zughunde im Einsatz. Schlitten- und Packhunde wurden sowohl von den Entente- wie auch von den Achsenmächten in relativ großer Anzahl eingesetzt.
Wie sah es im 2. Weltkrieg aus?
Im 2. Weltkrieg waren Nachrichten- und Sanitätshunde fast nicht mehr gefragt. Dies hatte seine Gründe. Zum Beispiel wurde die Kommunikationstechnik besser. Stattdessen wurden Patrouillenhunde nun wichtiger. Das waren Hunde, die eine kleine Einheit in der Regel bis Kompaniegröße begleiteten und die versteckte Feinde anzeigten. So konnte man zum Beispiel einem Hinterhalt ausweichen und Verluste vermeiden. Besonders wichtig war dies in unwegsamem oder unübersichtlichem Gelände. Einige Patrouillenhunde wurden sogar per Fallschirm abgesetzt. Am berühmtesten war wohl der englische Hund Bing vom 13. Fallschirmspringerbataillon der 6. Luftlandedivision. Er sprang am D-Day ab und blieb in einem Baum hängen. Aufgrund intensiver Gefechte konnte er aber erst Stunden später befreit werden, nahm seine Arbeit aber sogleich auf.
Neu dazu kamen die Minensuchhunde und Trümmersuchhunde. Infolge der großflächigen Bombenangriffe wurden viele Menschen verschüttet, die man dank Hunden aufspüren konnte. Nicht vergessen dürfen wir die Wachhunde, die in beiden Weltkriegen die größte Anzahl an Diensthunden stellten. Sie halfen, die zivile und militärische Infrastruktur zu sichern. Ebenso wenig vergessen sollte man die vielen Maskottchen, die in allen Kriegen präsent waren. Diese Hunde weilten bei Soldaten, hatten aber keine besondere Funktion. Sie wurden zum Beispiel als Streuner aufgegriffen und dann etwa von einer Kompanie oder einem einzelnen Soldaten adoptiert. Diese Maskottchen waren psychologisch wichtig. Sie halfen, das Grauen des Krieges emotional etwas abzufedern.
Wodurch zeichnete sich die Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg aus?
Im Kontext des Kalten Krieges spielten taktische Einsätze von Hunden praktisch keine Rolle. Es herrschten Szenarien mit großen, gepanzerten Verbänden vor, in denen Hunde nicht gebraucht wurden. Man konnte sie eigentlich nur im Wachdienst einsetzen. Die US Air Force ließ beispielsweise die Abschussvorrichtungen ihrer Minuteman-Raketen (Nuklearraketen) von Hundeteams bewachen, außerdem Basen in den USA, Deutschland und Japan. Hundeteams gehörten organisch auch zu den Wachmannschaften der Mike Flugabwehrbatterien der US Army. Zum Einsatz kamen Hunde weiterhin in gewissen Militärpolizei-Aufgaben. Die Bundeswehr fokussierte in der Zeit des Kalten Krieges ebenfalls ganz auf Wachhunde.
Etwas anders sah es in den Guerillakriegen jener Zeit aus, etwa in Vietnam oder Algerien. Die Franzosen etwa bauten während des Algerienkrieges (1954 – 1962) eines der größten und besten Diensthundewesen auf. Funktionen waren: Wachhunde, Patrouillenhunde, Höhlensuchhunde, Spürhunde, Minensuchhunde. Interessant nebenbei: Die meisten dieser Hunde wurden von den französischen Streitkräften in Deutschland angekauft, wobei es sich in aller Regel um deutsche Schäferhunde handelte.
In der jüngsten Vergangenheit beschäftigten uns ja vor allem die so genannten low-intensity-Konflikte, etwa in Afghanistan. In solchen Konflikten ist die wichtigste Funktion die Sprengstoffsuche. Speziell geschulte Hunde sind in der Lage, versteckte Sprengsätze anzuzeigen. Wie segensreich diese Funktion ist, kann man daran ablesen: Solche Sprengsätze waren eine der Hauptursachen für die Todesopfer bei den Koalitionstruppen in Irak oder Afghanistan. Spektakulär sind weiterhin die so genannten Combat Tracker Dogs. Diese nehmen aus einem Gefecht heraus die Spur eines Angreifers auf. Die Amerikaner setzten solche Hunde in Afghanistan erstmals seit Vietnam wieder ein. Daran sieht man: Die Hunde werden in den modernen Kriegen mehr denn je benötigt.
Welche Rassen wurden besonders gerne für welche Aufgaben eingesetzt – und warum?
Schon in der Entstehungszeit des Diensthundewesens herrschten die Schäferhunderassen vor, insbesondere der deutsche Schäferhund. Allerdings wurde er in den letzen rund 15 Jahren stark zurückgedrängt. Eindeutiger Dominator der Szene ist gegenwärtig der Malinois. Wichtig aber: Es gibt keine körperliche oder mentale Disposition der Schäferhunderassen, die sie besonders als Diensthunde geeignet machen würde. Welche Rasse am meisten Verwendung findet, hängt eher mit Entwicklungen der Zucht und einer gewissen zeitgeistigen Präferenz zusammen. Lange Zeit waren auch Dobermänner, Rottweiler, Airedale Terrier, Schnauzer, Boxer, Collies, Pointer und andere beliebt als Diensthunde. All diese Rassen – und natürlich auch Mischlinge – kann man genauso gut einsetzen wie den Malinois. Frage ist einfach immer, wie es um den Stand der Zucht bestellt ist. Wie viele gesunde, mental und körperlich geeignete Exemplare können die Züchter überhaupt zur Verfügung stellen? Und wie viel sind die Rekrutierungsteams bereit zu zahlen? Eine gute Hundezucht in Westeuropa zu betreiben, ist ein teures Unterfangen.
Natürlich sind gewisse Rassen aufgrund ihres Wesens besonders gut für bestimmte Aufgaben geeignet. Den Labrador setzt man beispielsweise vorzugsweise in der Minensuche und als Spürhund ein, weil er sich durch ein ruhiges Wesen und viel Ausdauer im Suchverhalten auszeichnet. Etwas anderes darf man nicht unterschätzen: Ein Diensthund muss optisch überzeugen. Schließlich dient er ja in Teilen als Abschreckungsmittel und ist natürlich Imageträger. Dazu gibt es eine köstliche Episode. Die US Army betrieb ab 1967 ein Forschungsprogramm. Dieses kam zum Schluss, dass der Pudel durchweg intelligenter war als der deutsche Schäferhund. Man verfolgte den Ansatz aber nicht weiter. Wohl mit Recht. Man stelle sich nur vor, wie ein voll ausgerüsteter GI mit einem Pudel in den Einsatz gezogen wäre… nichts gegen den Pudel… aber das hätte einfach ein zu lächerliches Bild abgegeben.
Passend dazu haben wir noch den Trailer vom neuen Warner Bros. Film „Max“ bei dem es um einen Hund geht, der tapfer als Soldat im Krieg gedient hat – und ohne sein Herrchen wieder zurückkehrt. Taschentücher bereithalten!