Flusengeburtstag
Bevor es hier mit dem Geburtstagslobgesang zum dritten Geburtstag von der Fluse losgeht kommt traditionell ein Rückblick und dazu werde ich kräftig ausholen. Vor der Fluse gab es einen anderen Berner. Gizmo war mein erster Hund und mein Herzenshund. Er war einfach der beste Hund den man sich vorstellen kann und ich vermisse ihn immer noch wahnsinnig.
2012 wurde Gizmo krank. Er war vorher noch nie krank aber jetzt hatte er Fieber und fraß nicht. Er war inzwischen 10 Jahre alt und bis dahin für einen Berner wirklich fit. Er hinkte hinten links leicht was er einem Zusammenstoß mit einem anderen Hund zu verdanken hatte und dem Terrier, der sich mit Vorliebe beim Rennen in dieses Bein verbiss. Aber das ist eine andere Geschichte. Wir waren drei oder vier Mal beim Tierarzt. Die gab ihm Spritzen gegen das Fieber. Es wurde ein paar Tage besser und kam dann wieder. Er fraß wieder nichts und war inzwischen ziemlich abgemagert.
Wir wechselten daher zu unserer vorherigen Tierärztin die nach einem besorgten Blick und einer Untersuchung das schlimmste befürchtete und Recht behielt: In der Milz war ein riesiger Tumor der ständig vor sich hinblutete. Eine OP kam nicht mehr in Frage, dafür war sein Zustand schon zu schlecht. Von der Diagnose bis zu seinem letzten Tag – den er übrigens in der Hundesschule verbracht hat, ich sehe ihn heute noch unter der A-Wand liegen – blieb uns nicht einmal mehr eine Woche. Das Abschied nehmen war so furchtbar aber wir waren bis zur letzten Sekunde bei ihm.
Er fehlte überall. Der Terrier war noch da aber ein so kleiner Hund macht faktisch keine Geräusche. Kein Schlabbern am Wassernapf, keine klackenden Krallen auf Laminat, kein rummsen und seufzen beim hinlegen. Ein für mich untragbarer Zustand. Für mich gab es nur einen Weg diese Stille und dieses Loch zu füllen, ich wollte lieber heute als morgen wieder neues Leben um mich. Ich brauchte Wochen um den Gatten zu überzeugen.
Und dann kam die Fluse. Also eigentlich kam er nicht, wir holten ihn ab, aus dem Allgäu. Neben Bernern gab es dort auch noch Terrier und ich behaupte bis heute, dass in diesem Berner auch ein paar Terriergene drin sind. Unser Terrier war beim abholen dabei und nachdem wir ein paar Kilometer gefahren waren setzten wir die beiden auf einer Wiese – neutralem Boden – ab um sich beschnüffeln zu können. Es war furchtbar heiß an diesem Tag, die Fluse zeigte kein Interesse am Terrier und das, wo dieser doch mit ihm spielen wollte.
Daheim angekommen zeigte sich die Situation folgendermaßen: Die Fluse betrat das Haus, schnüffelte im Flur herum und legte sich auf die kühlen Fliesen als wäre er hier zu Hause. Und so ist das bis heute. Das Erdgeschoss und vor allem der Platz vor der Haustür – durch die es ordentlich zieht – ist das Reich von Mo. Achja, Mo. So heißt die Fluse eigentlich offiziell, nach Cornelia Funkes Charakter aus „Tintenherz“ (nicht wegen dem Charakter des Charakters sondern wegen dem Namen). Der Terrier war nun allerdings reichlich verwirrt. So ein Treffen auf der Wiese ist ja mal in Ordnung, aber hier einziehen? Davon konnte keine Rede sein. Hätte er gekonnt hätte er den Tierschutz gerufen und sein Köfferchen gepackt, um uns zu verlassen. Er war schlichtweg empört!
Sobald sich die Fluse ihm auch nur auf fünf Meter näherte wurde warnend geknurrt. Das ging so weit, dass wir bei schönem Wetter auf der Terrasse waren, die Fluse aber drinnen bleiben musste weil er sich nicht über die Schwelle traute. Wer hier der Chef ist war klar. Ganze 10 Tage lang ging das so. Dann wurde es mir zu bunt. Ich setzte mich zu Mo auf den Boden und spielte mit ihm. Der Terrier konnte nicht anders, Menschen die auf dem Boden sitzen sind potentielle Streichelopfer. Also saß ich zwischen den beiden, spielte rechts mit der Fluse und links mit dem Terrier. Ich rutschte immer weiter weg und spielte nun auch mit dem Terrier. Und plötzlich war ich weg und die Hunde spielten zusammen. Hach, endlich geschafft. Und seitdem lieben sie sich – mal mehr mal weniger.
Wer die beiden spielen sieht – und vor allem hört – ist sich sicher: Da scheppert es gleich gewaltig. Der Terrier hat eine sehr besondere Art zu spielen und hat ein Repertiore an Geräuschen, das jeden das Fürchten lehrt. Oft hört man auch die Fluse vor Schmerz quietschen weil er es zu doll treibt. Die Fluse hat diese Begegnung mit dem Minimonster fürs Leben geprägt woraus zwei Ticks entstanden sind: Er liebt kleine Hunde abgöttisch – nicht immer zur Freude der Besitzer – und er holt sich regelmäßig Prügel bei anderen Terriern ab, die wir beim Gassigehen treffen. Dabei hat er einen Heidenspaß.
Absolut erwähnenswert ist der ausgeprägte Tragetick der Fluse. Als er ein paar Monate alt war gingen wir einkaufen. Der Gatte wartetet außen mit den Hunden, ich kam mit einem Netz Zitronen wieder. Die Fluse gab keine Ruhe bis ich ihm die Zitronen zum tragen gab. Stolz schleppte er sie bis zum Auto. Inzwischen darf ich nicht mehr einkaufen, ohne dass er etwas ins Haus tragen darf. Ich sortiere die Einkäufe also schon immer bernerfreundlich in die Taschen. Das Beste was er je diesbezüglich gemacht hat war eine offene Packung Wiener Würstchen die er ins Haus trug – mit einem wild um ihn herum hüpfenden Terrier, der an die Wurst wollte. Flaschen tragen ist eine weitere Spezialität, leere Plastikflaschen im Haus werden zuverlässig nach unten getragen, zur Belohnung winkt ein Keks.
Ich komme hier zu keinem Ende dabei habe ich noch gar nicht richtig angefangen. Der Tragetick ist nicht nur praktisch sondern auch lustig denn beim Gassigehen hat die Fluse in seiner Sturm- und Drangzeit alles aufgesammelt, was einfach nicht in den Wald oder auf die Wiese gehörte. Darunter leere Pappbecher, Feuerzeuge, Plastiktüten – mit denen er dann mit Vorliebe über die Wiese galloppierte, das flattert so schön im Sausewind – und ja, einen Schnuller.
Ein weiteres Überbleibsel seiner Welpenzeit ist die ewige Schnüffelei. Mit einem Welpen kann man keine großen Runden drehen, ein Terrier möchte aber beschäftigt werden. Also machten wir viele Suchspiele auf der Wiese. Die Fluse war immer mit dabei und hatte die Nase am Boden. Und egal wo wir gehen und stehen, das ist bis heute so. Ich habe keine Ahnung wie er das alles in seinem Hirn verarbeiten kann, er ist schlimmer als jeder Jagdhund. Besonders nervig ist das in der Hundeschule denn ein am Boden schnüffelnder Berner kann weder Sitz noch Platz machen oder sonstwie auf das Hören, was man sagt. Es interessiert ihn auch nicht die Bohne wenn man ihn anstupst, an der Leine zieht oder seine Nase mit dem Fuß auf die Seite schiebt.
Wenn er nicht am schnüffeln ist, ist er in seiner eigenen Bernerwelt gefangen. In dieser ist alles, alles toll, toll, toll. Alle Menschen sind Freunde, alle Tiere sind Freunde und da oooh, ein Schmetterling. Aufmerksam wie ein Stück Brot. A prospos Brot: Auch wenn man Bernern nachsagt sie sind verfressen – für Gizmo galt das – für die Fluse gilt das nicht. Essen ist okay, es ist aber auch okay mal eine Mahlzeit ausfallen zu lassen. Das begeistert vor allem im Sommer wenn alle Fenster offen sind, man den Hunden den Napf hinstellt und sich trollt um dann zwei Stunden später festzustellen, dass eine Fliegeninvasion das Haus und den Futternapf übernommen hat.
Die Fluse lässt sich von jedem Hund alles gefallen, allerdings hat er auf ganz eigene Art gelernt, wie man seinen Willen durchsetzt. Und so ein Bernerwille ist stark. Stur wie ein Schweizer Panzer und dazu noch ein manipulatives Miststück. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat bekommt er es auch. Das geht bei Streicheleinheiten los – er bängst so lange rum bis man nachgibt – bis hin zu: Du kannst den Knochen fressen, ich guck dir einfach so lange zu, bis du aufgibst. Die Taktik funktioniert. Immer. Ich erinnere mich an eine Gassirunde, beide Hunde fleißig am Mäusebuddeln. Die Fluse hatte die Nase vorn, der Terrier wollte aber an genau DAS Loch. Die Fluse trollt sich. Guckt dem Terrier zu. Springt auf ein anderes Loch zu, buddelt wie verrückt und hat so prompt die Aufmerksamkeit des Terriers. Der verlässt fix sein Loch um zu sehen, was es da tolles gibt. Die Fluse lacht hämisch und gibt das völlig uninteressante Loch auf, um sich wieder dem hochinteressanten Ursprungsloch zu widmen.
Ansonsten liebt die Fluse Wasser in jeder Form. Es gibt faktisch kaum ein Wetter, bei dem man nicht baden kann. Und wenn man nicht badet dann trinkt man Tümpel oder Wassernäpfe leer. Der Berner an sich ist ein Saubär – das kann jeder bestätigen, der einen hat. Das unten stehende Bild habe ich im September 2012 aufgenommen, da war die Fluse noch keine 12 Wochen alt. Aus diesem Napf hat er exakt 2x getrunken. Ich wusste, dass dieses Bild eines Tages für irgendwas gut sein würde (und wenn es nur als abschreckendes Beispiel dient).
Ich hätte nie gedacht, dass ich je wieder einen Hund so lieben könnte wie Gizmo. Aber Mo hat es postwendend geschafft, sich in mein Herz einzukuscheln um sich dort mit einem genüsslichen Bernerseufzer niederzulassen. Dazu passt wunderbar dieser Spruch:
„Ich wusste, dass ich jederzeit einen Hund verlieren konnte und dass er ein Stück meines Herzens mitnehmen würde. Und jeder neue Hund, der in mein Leben kommt, bringt ein Stück meines Herzens zurück. Wenn ich lange genug lebe wird mein Herz das Herz eines Hundes sein.“
Wer jetzt noch mehr über die Fluse erfahren möchte kann das hier tun. Auch in unserem Wochenrückblick kommt die Fluse immer wieder zu Wort und in drei Blickwinkel hat er ebenfalls was zu sagen. Mehr über seinen Hundekumpel Murphy den Terrier gibt es auf seiner Seite und in der Terrierkolumne eins und zwei.