65 Tage Ernstfall Abenteuer inklusive Schiffbruch – Teil 2
Willkommen bei den Ch’tis
Von Belgien (zum ersten Teil unserer Reise geht es hier) kurven wir nach Nord-pas-de-Calais und damit in den Teil von Frankreich, den wir alle aus oben genanntem Film kennen. Die Straßen sind ähnlich schlecht wie in Belgien, es liegt kein Schnee und wir finden einen von der Lage her seltsam anmutenden Campingplatz, dessen Besitzerin kein englisch spricht (und natürlich auch kein deutsch, logisch). Der Campingplatz in Combrai entpuppt sich jedoch als Glücksgriff. Es ist wunderschön ruhig dort, grün und günstig ist er obendrein. Zu Fuß laufen wir in die Stadt und fühlen uns schon fast ein wenig französisch.
Am nächsten Morgen verlassen wir den grünen Platz und machen uns auf in Richtung Meer. Es sollte wieder einer dieser Tage werden. Glücklicherweise wissen wir das immer erst im nachhinein. Lass mich das kurz erklären.
Einer dieser Tage
Vor Beginn unserer Reise hatten wir ausgemacht, höchstens an die 200 km pro Tag zu fahren – an Tagen, an denen wir überhaupt fahren. Wir hatten nie geplant, Stellplatzhopping zu betreiben, sondern auch mal länger an einem Ort zu stehen. Unsere ganze Route war danach ausgelegt. Stellplätze, Campingplätze und Parkplätze suchen wir wahlweise mit den Stellplatzführern der ACSI-Camping-Card (hiermit gibt es an sehr vielen Campingplätzen Vergünstigungen), der Park4night-App und einer anderen Stellplatzapp, die allerdings nicht überzeugt hat.
Dass wir bei den Ch’tis in schwierigem Geläuf unterwegs waren, wussten wir. Stellplätze sind hier nämlich ziemlich mau und ein ACSI-Inspektor hat sich bis zu den Ch’tis auch eher selten verirrt. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Gegend nicht so oft von Touristen besucht wird. Glücklicherweise fanden wir einen Stellplatz mit der Park4Night-App. Am Ort angekommen stellte sich nicht nur heraus, dass wir Umwege fahren mussten, weil für alles über 3,5 Tonnen die Durchfahrt verboten war, sondern auch noch, dass Willy für den Platz schlicht zu groß ist. Nun gut, dann fahren wir eben weiter. Auf dem Weg hierher waren wir an einem Campingplatz-Schild vorbeigefahren. Wo genau dieser sein sollte, wussten wir auch eine Stunde später noch nicht.
Im Hafen von Dieppe
Also machten wir uns notgedrungen auf den Weg Richtung Dieppe. Dort am Hafen gibt es gleich zwei völlig überteuerte Stellplätze auf Beton, in der Wohnmobile wie die Sardinenbüchsen stehen. Nicht so ganz unsere Welt, aber auch sonst bot sich keine Möglichkeit, da Willy einfach ein ungelenkes Schiff ist und unsere Nerven eh schon etwas strapaziert waren. Die Gassirunde der Jungs musste auf Grund der „wir können hier nirgends parken Situation“ auch ausfallen, was nicht gerade zur allgemeinen Erheiterung beitrug.
So dauerte die geplante Fahrt von 3 Stunden an die 6 Stunden. Dafür wurden wir stellplatztechnisch wirklich überrascht, denn auch wenn der Platz voll, auf Beton und nicht gerade günstig war: Er lag DIREKT am Meer. Meer, zu dem man laufen konnte. Möwengekreische und Sonnenschein gab es obendrein. Das Glück des Gatten war perfekt, als sich herausstellte, dass direkt hinter uns die Fähre anlegt. Fähre bedeutet für ihn soviel wie Weihnachten und Geburtstag zusammen. Pure Glückseligkeit also. Wider erwarten schliefen wir auch noch – wie die Nächte davor – wahnsinnig gut – von 22 Uhr bis 8:30 Uhr.
Am Morgen erkundeten wir den Hafen und besorgten uns eine SIM-Karte mit 100 GB von free. Wir brachten diese sogar innerhalb von 20 Minuten zum laufen. Dem W-Lan im Wohnmobil stand somit nichts mehr im Wege. Kurz darauf ging es weiter in Richtung Veulettes-sur-mer.
Fast angekommen
Veulettes-sur-mer ist ein kleiner, sehr kleiner Ort direkt am Meer. 25 Häuser, ein großer Stellplatz und eine Kleingartensiedlung (natürlich nicht, es waren Ferienhäuser beziehungsweise -verschläge, die aussahen wie ein Kiosk und uns die Sicht aufs Meer versperrten). Rechts und links des Kiesstrandes (kindskopfgroße Kieselsteine) Klippen. Hinter einer davon steht wohl ein Kernkraftwerk. Dank der Kioskferienhäuser war der schönste Ausblick der nach hinten raus: Kuhweide, grüne Wiesen und sich sanft wellende Hügelchen. Normandie eben <3
Nach einer Nacht wollten wir weiter auf einen Campingplatz in Merville-Franceville-Plage. Laut Google Maps gibt es hier Sandstrand, der Campingplatz liegt direkt am Meer und mit etwas Glück bekommen wir einen der Stellplätze direkt am Zugang zum Strand. Mächtig aufgeregt und voller Vorfreude satteln wir unser Schlachtschiff für die Tagesetappe. Doch es sollte wieder einer dieser Tage werden – und zwar einer der schlimmsten.
Und es hat ZOOOM WATZ gemacht
12 km vor dem Ziel, in einer engen Baustelle auf der Autobahn, macht es plötzlich: WATZ! Der Gatte weiß sofort, was los ist: Der Keilriemen ist gerissen. Das KANN nicht sein. Das Ding ist gerade mal 5 Wochen alt! Wir schaffen es von der Autobahn runter, lassen den Motor an der Ausfahrt abkühlen und schleichen zu einem Platz neben der Bundesstraße. Hier bleibt uns nur noch eines: Die Versicherung in Deutschland anrufen, bei der das Abschleppen im Service inbegriffen ist. Die kümmern sich direkt und nach etwa 90 Minuten (in denen ich den Hunden 3x erklärt habe, dass die wogenden Gräser vor der Tür NICHT zum Gassigehen geeignet sind und sie mich jedesmal verständnislos und mit zunehmender Verachtung anblicken), steht der Abschlepper vor der Tür.
Es ist alles vollkommen surreal und dürfte, sollte, müsste uns wirklich nicht nochmal passieren. Doch das Leben sagt: Ihr habt Eure Aufgabe noch nicht verstanden. Und daher lassen wir Willy wieder abschleppen. Ein Aufenthalt in der Werkstatt steht uns bevor. Die Abschlepperei an sich ein Alptraum. Der beginnt damit, dass der Fahrer uns klar macht, dass die Fluse nicht im LKW mitfahren kann. Er meint das nicht persönlich, denn das Fahrerhaus beginnt mehr als 2 Meter über dem Boden. Hinauf führen Stufen, keine Treppe. 43 Kilo unwilligen Berner möchte niemand dort hochhieven.
Abschleppen auf Französisch
Was ich nicht möchte ist, dass der Berner alleine in seinem Alptraumwomo fahren muss, dass schunkelt und schaukelt und keiner ist für ihn da. Die Entscheidung treffe ich in 0,3 Sekunden und völlig unüberlegt (zum Glück). Ich „fahre“ im Wohnmobil mit. Mit beiden Jungs. Was auf mich zukommt gleicht einer Achterbahnfahrt, nur gibt es hier keine vorgefertigten Gleise und Haltebügel. Zuerst geht es steil nach oben, etwa in einem Winkel von 40 Grad (gefühlt 80). Dann stehen wir oben. Auf einem LKW. So etwa 5 Meter über dem Boden. Nicht. Witzig. Doch noch stehen wir. Dann fahren wir. Und es wird kein Stück besser. 20 Minuten stehen mir bevor, deren Details ich noch lange erzählen kann.
Wider erwarten kommen wir heil in der Iveco-Werkstatt an. Und als Schreiberin und Beteiligte dieser Geschichte ärgere ich mich gerade darüber, wie Willy jetzt wieder die Story an sich reißt und sie dominiert. Das sollte unsere Reise, unsere Geschichte werden. Stattdessen drängt er sich stetig ungefragt in den Mittelpunkt. Doch wir sind auf ihn angewiesen. Es ist 18 Uhr an einem Freitag in einem französischen Industriegebiet. Der Wassertank ist ebenso fast leer wie der Kühlschrank und unsere Mägen. Die Jungs waren nicht Gassi und wir sind fix und fertig, demoralisiert und planlos.
Wir tun was nötig und möglich ist, kaufen etwas im Supermarkt nebenan ein, gehen mit den Jungs Gassi, machen einen Werkstatttermin für den nächsten Morgen um 8 und dürfen vor der Werkstatt stehen bleiben. Die Keilriemen-Reparatur dürfte so etwa 2-3 Stunden dauern, danach können wir weiter. Dachten wir.
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