Free Willy – Eine Geschichte voller Missverständnisse
Europareise Erfahrungsberichte sollten nicht direkt so anfangen wie unsere Geschichte. Wer sich auf eine Europareise mit dem Wohnmobil einlässt, rechnet mit Abenteuer, Hindernissen und auch Rückschlägen. Dass diese Hindernisse und Rückschläge aber schon vor dem Start anfangen, hätten wir uns nicht erträumen lassen. Aber lies selbst…
Wir schreiben Freitag, den 6. Oktober. Voller Spannung und Vorfreude machen wir uns sehr früh morgens in das 350 km entfernte Örtchen im Saarland auf, um unser vielleicht zukünftiges Wohnmobil zu begutachten. Alles läuft glatt, der Verkäufer ist kompetent, weiß Bescheid und wir sind sofort verliebt. Free Willy hat alles, was wir uns gewünscht haben – und obendrein noch einen großen Traum, den wir schon ausgeträumt hatten.
Klimaanlage, 120 Liter Gastank, Häcksler-Toilette, winterfest, 240 Liter Wassertank. Dazu eine Hecksitzgruppe (unser absoluter Traum aber kaum zu bekommen). Allein die Polsterfarbe ist nicht unsere, aber das lässt sich regeln. Wir schlagen direkt zu und unterschreiben den Kaufvertrag. Lieferzeit 6 Wochen, versichert uns der Verkäufer und unsere geplanten Umbauten wie Solaranlage auf dem Dach, ein gutes Navigationssystem mit integrierter Rückfahrkamera und Gasaußenanschluss sind kein Problem. Auch zwecks der Polsterung könne er sich erkundigen. Glücklich und beseelt fahren wir nach Hause.
Die Sache mit dem Abholtermin
Nach etwa 3 Wochen fragt der Gatte nach, ob wir so langsam einen Abholtermin grob ins Auge fassen könnten. Schließlich wollten wir unser neues Zuhause direkt ausprobieren. Vom Händler ist es ein Katzensprung über die französische Grenze. Ein wenig freie Luft schnuppern, im französischen Supermarkt einkaufen und sich mit dem Wohnmobil ganz in Ruhe für 2 Tage anfreunden. So der Plan. Eine Freundin würde uns mit ihrem Wohnmobil hinfahren und Schützenhilfe leisten. Als blutige Anfänger haben wir von Wohnmobilen so gar keine Ahnung. 2 von 3 Personen müssten für die Abholung Urlaub nehmen, da wäre es ganz gut, das 1-2 Wochen im Voraus zu planen.
Auf eine Antwort warten wir länger. Tendenz: Man könne noch nichts genaueres sagen. Es wird Ende Oktober, Anfang November. Kein fester Termin in Sicht. Langsam werden wir ungeduldig, die Nachfragen von allen kommen häufiger: „Wann könnt Ihr Euer Wohnmobil denn abholen?“ „Wissen wir nicht, der Händler meldet sich nicht.“ Mitte November bekommt der Gatte tatsächlich nach x Anrufen den Part des Händlers ans Telefon, der die Auslieferung koordiniert. Das Gespräch ist kurz, man wisse noch nichts genaues, es würde sich aber am nächsten Tag jemand melden, um genaueres mitzuteilen. Es passierte, was die ganzen 6 Wochen auch schon passierte: Nichts. Die darauffolgende Woche wieder versucht. Ans Telefon bekam man immer nur die freundliche Dame am Empfang, die versprach, dem Auslieferungsherrn Bescheid zu sagen. Nachdem drei Tage lang nichts passierte, schrieb der Gatte eine wutentbrannte Mail.
30 Minuten später klingelte das Telefon. Der Gatte, zu aufgebracht um ranzugehen, ließ den Herrn auf die Mailbox sprechen. Wortreiche Entschuldigungen und die Erklärung, der Chef persönlich würde sich nun kümmern. Gleich am nächsten Tag – ein Donnerstag. Wir schreiben inzwischen den 20. November. Es kam tatsächlich ein Telefonat zustande und der Chef versicherte uns, dass man eine Auslieferung Ende November/Anfang Dezember durchaus in Betracht ziehen könne. Sie hätten alle viel zu tun, bis zum Betriebsurlaub am 16. Dezember müssen noch 120 Fahrzeuge ausgeliefert werden. Die ganze Firma sei im letzten Jahr enorm gewachsen und der Verkauf war fleißig – die Auslieferung käme da gerade nicht ganz hinterher.
Abholung mit Hindernissen
Am 27. November schrieb der Gatte eine weitere Mail, ob man denn nun langsam zu Potte kommen könne. Denn eines hatten wir immer noch nicht: Einen festen Abholtermin. Unsere Freundin hatte ihr WoMo inzwischen in den Winterschlaf geschickt und wir brauchten einen Abholplan B – irgendjemand müsste uns ja 350 km da hinfahren und entweder Lust auf Wintercamping haben oder so fit sein, die 350 km am selben Tag wieder zurückfahren zu können.
Am 5.12 meldete sich dann tatsächlich der Herr von der Auslieferung. Unsere gewünschten Einbauten (2 Solarpaneele auf dem Dach, Rückfahrkamera mit Navi und Gasaußenanschluss) seien vorgenommen worden, jetzt stehen noch Kundendienst, TÜV und eine Qualitätsprüfung an, in der alle Funktionen auf Herz und Nieren getestet werden. Es ist Montag und wir können es kaum fassen. Endlich kommen die Dinge ins Rollen, wir haben sogar die Bankverbindung zwecks Bezahlung bekommen und nach dem TÜV am Mittwoch würden dann auch die Papiere fertig gemacht. Der Herr von der Auslieferung würde sich spätestens Mittwoch nachmittag melden, um einen Abholtermin zu vereinbaren.
Du ahnst es schon – es passierte wieder nichts. Auch 2 Anrufe konnten daran nichts ändern. Eine weitere Mail verließ mit ordentlich Feuer im Arsch unser Haus. Unter anderem mit diesem Satz: „Wenn Sie bei den technischen Dingen am Fahrzeug ähnlich arbeiten wie im Service, werden wir in Zukunft sicherlich noch sehr viel Spaß gemeinsam haben.“ Am Freitag Abend, irgendwann nach 18 Uhr, kam endlich der ersehnte Rückruf. Ende nächster Woche können wir das Wohnmobil holen. Ich war am Telefon und ließ mich nicht beirren. Ende der Woche ist nicht konkret, wann genau? Wir einigten uns auf Freitag um 10 Uhr. Die Erleichterung war kaum zu fassen.
Die Übergabe
Wer glaubt, hier ende nun die Geschichte – lang und nervig, aber mit gutem Ende – der irrt. Denn jetzt geht sie erst richtig los. Wir planten also fleißig den Freitag, überlegten, ob wir den Jungs die lange Fahrt mit 2-3 Stunden Wohnmobil-Einweisung antun oder jemanden zum Hundesitten engagieren. Der Gatte nahm einen Tag Urlaub, wir engagierten einen Freund, der sich bereit erklärte, die Monstertour mit uns zu machen. Abfahrt sollte hier um 7 Uhr sein, Ankunft 10 Uhr denn unser Fahrer musste um 16 Uhr arbeiten.
Donnerstag Abend um 17:30 Uhr klingelt das Telefon. Die WoMo-Auslieferung. 10 Uhr passe so gar nicht, schließlich müsse man das Fahrzeug ja noch reinigen. Vor 13 Uhr ginge gar nichts. Wir wollen die Sache einfach nur noch zu Ende bringen, schlucken ein weiteres Mal unser wütendes Gebell hinunter und geben zähneknirschend nach. So kurz vor dem Ziel lassen wir uns nicht beirren. Unseren Kurzurlaub hatten wir schon in den Wind geschossen. An Weihnachten fänden wir sicher ein paar ruhige Tage um uns einzuleben.
Wir mieten online einen Mietwagen, den wir glücklicherweise im Nachbarort des Wohnmobil-Händlers abgeben können. Die Jungs sollen mit, da müssen sie jetzt durch. Es wird spät, bis wir heimkommen, das ist uns alles zu ungewiss. Es muss also ein Kombi sein. Wir haben Glück: In unserem Ort steht morgen einer zur Verfügung.
Die erste Tat des Gatten nach dem Gassi ist also Mietwagenabholung am Freitag, den 15. Dezember um 8 Uhr. Der vorletzte Tag vor dem Betriebsurlaub des Händlers, der dann erst im Januar wieder da ist. Natürlich ist kein Mietwagen da, wir müssen nach Nürnberg fahren um einen zu holen. Das klappt glücklicherweise, ebenso wie die lange Fahrt ins Saarland. Wir verzögern uns um etwa eine Stunde und sind gegen 14 Uhr da. Ich gehe mit den Jungs eine Runde durchs Industriegebiet spazieren, während der Gatte den Mietwagen abgibt. Alle dort sind gut drauf und freundlich zu uns, die Übergabe nimmt ihren Lauf. Die Jungs benehmen sich vorbildlich, warten in der Halle vor dem WoMo während wir alles gezeigt bekommen. Unser Einweiser ist platt, wie brav die beiden sind, seine Hündin würde keine Minute still sitzen. Jahrelanges Training macht sich eben bezahlt 😉 Die Einweisung ist nett und freundlich, wir bekommen alles so weit gezeigt – und behalten etwa die Hälfte davon. Wir bekommen noch 2 volle 11 kg-Gasflaschen, Handtücher, Gutscheine und 2 Flaschen Wein.
Die Heimfahrt
Es wird weit nach 18 Uhr, bis wir wegkommen. Es regnet, es ist dunkel und genau die Art von Wetterlage, die man sich wünscht, wenn man zum ersten Mal mit einem 8,5 Meter langen unbekannten Fahrzeug 350 km fahren muss – nach einem elend langen Tag. Doch der Gatte fährt, als hätte er nie etwas anderes gemacht <3 . Die Aussicht durch unsere Frontscheibe ist der helle Wahnsinn – wir haben fast einen kompletten Rundumblick. Einzig die Heizung tut nicht, was sie soll, es ist lausig kalt. Erst nachdem wir sie voll aufdrehen, wird es langsam angenehm warm. Die Jungs liegen friedlich in ihren Boxen – die Fluse hinten, der Mini direkt hinter dem Fahrersitz.
In der ersten Pause wird klar, dass sich die Fluse ganz und gar nicht wohl fühlt und eine Panikattacke nach der anderen hat. Leider muss er da jetzt durch. Ich zücke die Notfalltropfen aus meiner Handtasche und gebe sie ihm auf einem Stück Brot. Um Mitternacht sind wir endlich daheim. Auf der Straße treffen wir die Nachbarn und führen stolz unser Wohnmobil vor. Am nächsten Abend wollen wir es einweihen, es ist Grillfest auf dem Hundeplatz, der Parkplatz groß genug für uns. Mit Spannung erwarten wir die erste Nacht. Wie diese anfing und endete kannst Du im nächsten Beitrag lesen.
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